Kartensatz im Kopf

von Stefanie Reinberger, MaxPlanckForschung 3/2010

 

Woran orientieren wir uns, wenn wir eine fremde Stadt erkunden? Und welche Strategien nutzen wir, um von A nach B zu finden? Das sind Fragen, mit denen sich die Wissenschaftler der Abteilung  Wahrnehmung, Kognition und Handlung im Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik beschäftigen. Und sie sind sicher: Im Geiste setzen wir unsere Wege aus vielen einzelnen Informationshäppchen, also quasi aus winzigen Einzelkarten zusammen – immer ausgehend von unserem aktuellen Standort.

 

"Hat alles geklappt? Haben Sie gut hergefunden?", fragt Tobias Meilinger zur Begrüßung. Eine alltägliche Floskel, doch irgendwie hat sie bei dem Tübinger Wissenschaftler eine tiefere Bedeutung. Der Psychologe forscht im Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in der Abteilung Wahrnehmung, Kognition und Handlung, die von Heinrich Bülthoff geleitet wird. Er interessiert sich dafür, wie wir Menschen uns im Raum orientieren und welche sensorischen und kognitiven Fähigkeiten wir dafür benötigen.

Wenn wir uns von A nach B bewegen, vollbringt unser Denkorgan eine wahre Meisterleistung. So auch meines auf der Reise nach Tübingen: Die Wege zwischen Bett, Badezimmer und Frühstückstisch bewältige ich mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit, und die kurze Strecke zur S-Bahn gehört quasi zu meinem Revier. Die Bahnhöfe, an denen ich unterwegs umsteigen muss, sind mir von früheren Fahrten bekannt, und selbst als ich endlich in Tübingen in der Spemannstraße ankomme, weiß ich grob, in welche Richtung ich laufen muss – schließlich war ich vor ein paar Jahren schon mal zu Gast. So treffe ich blitzschnell Entscheidungen darüber, wohin mich meine Füße tragen sollen. Die Informationen, die ich zur Orientierung brauche, sind irgendwo in meinem Oberstübchen abgespeichert.

 

Es sind eine Menge verschiedener Details, die wir uns merke um einen Ort wiederzuerkennen, und die uns dabei helfen, die richtige Richtung einzuschlagen wenn wir uns in einer bestimmten Umgebung – etwa in einem Gebäude oder in einer Stadt – zurechtfinden müssen. Da gibt es Landmarken, also Charakteristisches wie große Berge oder hohe Türme, an denen wir uns von Weitem orientieren können, aber auch Auffälliges am Wegesrand, zum Beispiel ein rotes Haus oder eine Bushaltestelle. Außerdem merken wir uns, ob wir vor einer speziellen Straße kommend rechts oder links gegangen sind, um zum Bahnhof zu kommen. "Neben der visuellen Wahrnehmung spielt der Gleichgewichtssinn eine wichtige Rolle, aber wir nehmen auch wahr, wie anstrengend ein bestimmter Weg ist, ob es beispielsweise bergauf geht, ob der Untergrund eben ist oder voller Schlaglöcher und Gesteinsbrocken", zählt Abteilungsleiter Bülthoff auf. So gelingt es uns meist, einer Wegbeschreibung zu folgen, die etwa lautet: An der ersten Ampel rechts, dann an der Kirche links und schließlich den Hügel hinauf...

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